Die Bereitschaft, geflüchtete Menschen aus der Ukraine unter dem eigenen Dach zu beherbergen, ist groß. Doch ist das auch für Sie eine gute Lösung? Machen Sie diesen Test, um es herauszufinden.
Wie ist Ihre Wohnsituation?
Betrachten Sie die Sache zunächst aus zwei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Die Geflüchteten haben in den vergangenen Wochen oft schreckliche Erfahrungen gemacht und benötigen auch deshalb ihren Raum und die Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Auch für Sie als Gastgeber:in wird die Situation vermutlich gelegentlich herausfordernd, auch Sie werden zwischenzeitlich ihre Ruhe benötigen und abschalten wollen.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass Sie geeignete Räumlichkeiten anbieten können.
Wohnen Sie zur Miete oder in Ihrer eigenen Wohnung?
Geflüchtete aufzunehmen hat auch rechtliche Aspekte. Wenn Sie in einer Eigentumswohnung leben, steht es Ihnen selbstverständlich vollkommen frei, dort Gäste für einen beliebig langen Zeitraum aufzunehmen. Wohnen Sie zur Miete, empfiehlt es sich, den/die Vermieter:in frühzeitig zu informieren, um Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden. Für einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen können Sie Geflüchtete ohne dessen/deren Erlaubnis beherbergen – wenn es sich um Verwandte handelt, sogar ohne zeitliche Begrenzung.
Übrigens, wenn Sie Besitzer:in einer Wohnung sind, die aktuell nicht genutzt wird: Viele Kommunen, u.a. die Stadt Stuttgart, sind sehr daran interessiert, freie Wohnungen zu marktüblichen Mieten für Geflüchtete anzumieten.
Wie lange könnten und wollen Sie die Geflüchteten aufnehmen?
Sie entscheiden selbst, wie lange Sie jemanden aufnehmen wollen – Sie gehen damit keine Verpflichtungen ein. Sie sollten sich aber vorher darüber klar werden, wie lange sie eine Unterkunft anbieten können und das persönlich auch möchten. Wichtig ist, das vorher eindeutig zu kommunizieren, damit keine falschen Erwartungen entstehen. Denken Sie auch daran zu klären, wie Sie sich das zum Beispiel mit dem Einkauf von Lebensmitteln oder der gemeinsamen Nutzung der Küche vorstellen können.
Vor allem in Großstädten sind die Behörden derzeit wegen des hohen Aufkommens oft schon froh, wenn eine Unterbringung für einige Tage beziehungsweise für zwei bis drei Wochen möglich ist. In den meisten Landkreisen werden aber zumindest mittelfristige Unterkünfte gesucht – also für mindestens sechs Wochen. Das Portal https://unterkunft-ukraine.de/, auf das z.B. die Stadt Stuttgart private Gastgeber:innen verweist, ermöglicht Zeiträume ab zwei Wochen, unterstreicht aber, dass „Wohnraum, der auch länger zur Verfügung steht, ganz besonders willkommen ist“.
Die Geflüchteten haben in der Regel schon viele Ortswechsel hinter sich, wenn sie in der privaten Unterkunft ankommen. Deshalb wünschen sie sich Ruhe und etwas Stabilität – und sind dafür dankbar, wenn sie auch für einen längeren Zeitraum unterkommen können, also zumindest für mehrere Monate.
Die Organisation „Pro Asyl“ rät: „Deshalb ist es gut, wenn die Wohnmöglichkeit zeitlich nicht streng befristet ist, sondern eine Unterbringung z.B. von einem Jahr möglich wäre.“ Das Portal https://zusammenleben-willkommen.de/, das WG-Zimmer an Geflüchtete vermittelt, nimmt Angebote sogar erst ab einer Wohndauer von zwölf Monaten an.
Sind Sie bereit und in der Lage, die Geflüchteten auch organisatorisch zu unterstützen?
Klar, in diesem Fragebogen geht es zunächst um eine Unterkunft für Geflüchtete. Aber wenn Sie Gäste aufnehmen, wird es sich vermutlich ganz von selbst ergeben, dass Sie auch ein wichtiger Ansprechpartner/eine wichtige Ansprechpartnerin für sie sein werden. Denn auf Geflüchtete kommen viele Fragen zu, viele Behördengänge – und damit in aller Regel ein großer Aufwand. Können und wollen Sie auch dabei eine wichtige Unterstützung sein?
Können Sie mit der psychischen Belastung umgehen?
Das ist ein heikles Thema – aber umso wichtiger ist es, es offen anzusprechen: Die Geflüchteten, die aus der Ukraine nach Deutschland kommen, haben in den vergangenen Wochen oft schreckliche Dinge erlebt. Sie haben wichtige Menschen verloren oder zurücklassen müssen, sie haben Not und Gewalt erfahren, sie haben keine Vorstellung, wie das Leben für sie weitergehen wird. Viele Geflüchtete befinden sich in einem seelischen Ausnahmezustand, sind traumatisiert. Sie müssen sich als Gastgeber:in im Klaren darüber sein, dass sie mit Wut und Trauer, mit Angst und Ratlosigkeit konfrontiert werden.
Stellen Sie sich ganz ehrlich die Frage, ob Sie selbst so belastbar und stabil sind, um damit umzugehen. Machen Sie sich bitte auch klar, wo Ihre Grenzen sind. Ganz wichtig: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Eine empathische Grundhaltung ist hilfreich, Sie können Ihren Gästen gegebenenfalls anbieten, gemeinsam über bestimmte Themen und Erfahrungen zu sprechen. Für eine psychische Aufarbeitung der Erlebnisse sind Sie aber keinesfalls zuständig, dafür bedarf es professioneller Unterstützung.
Ergebnisse
Diese Fragen sollen Ihnen Anregungen zur Selbstreflexion bieten – und eine kleine Hilfe bei der Entscheidung, ob es für Sie sinnvoll ist, Geflüchtete aufzunehmen. Sehen Sie die folgenden Empfehlungen als Entscheidungshilfe und nicht als Wertung Ihres Engagements: